Römischer Prahm Secundinia

Was ist ein Prahm?

Wie versorgte das römische Reich seine eroberten Provinzen mit Material und Nahrungsmitteln? Allein die an der Rheingrenze stationierten Legionen und Auxiliareinheiten entwickelten einen jährlichen Olivenölbedarf von etwa 23.000 Amphoren, jede gefüllt circa 1.000 Kilogramm schwer. Mitstationierte Familien oder die Zivilbevölkerung sind hier noch nicht einmal einberechnet! Das Beispiel mit Olivenölbedarf ist hierbei absichtlich gewählt, musste dieses Produkt im römischen Reich doch zwangsläufig aus dem Mittelmeerraum, in der Regel aus der Baetica in Spanien, in die nördlichen Provinzen importiert werden.

Ein so umfangreicher Warentransfer konnte nicht alleine über die von den Römern ebenfalls sehr gut erschlossenen Landwege erfolgen, sondern über die See- und Binnenwege. Hierbei ergab sich für viele Räume aber das Problem, dass die vorhandenen Binnenwasserstraßen einen so geringen Tiefgang aufwiesen, dass sie unter heutigen Bedingungen als nicht schiffbar gelten. Die Lösung hierfür liegt in der Nutzung sogenannter Prahme! Hierbei handelt es sich um ein vergleichsweise plump wirkendes Fahrzeug, dass aber eine hohe Tragfähigkeit mit einem geringem Tiefgang verbindet. Die Kastenartigen Gefährte mit einem völlig ebenen Schiffsboden mündeten an Bug und Heck in einer rampenartigen Konstruktion, wobei durchaus Ähnlichkeiten mit der Form von Lastfahrzeugen späterer Zeiten, z.B. den bis ins 20. Jhd. genutzten Kaffenkähnen erkennbar sind.

  Ohne die Prahme hätten beispielsweise die Säulen für den Bau des Trierer Domes nicht aus dem Steinbruch im Odenwald nach Trier transportiert werden können. Etwa 65 t wogen die monolithischen Bauteile, die für den unter Konstantin dem Großen begonnenen Kirchenbau über Hunderte von Kilometern herangeschafft werden mussten. Dies ließ sich nur über den Wasserweg verwirklichen. Die Säulen wurden in der Nähe des Steinbruchs aufgeladen und insgesamt 350 km bis nach Trier transportiert. Der Schiffstyp der Prahme ist sowohl archäologisch als auch ikonographisch mehrfach belegt. Ein in Trier lokales Beispiel bildet die sogenannte Igeler Säule.

Ein großer Vorteil der Prahme bestand in ihren vielseitigen Antriebsmöglichkeiten. Neben der Option, sich mit der Strömung flußabwärts treiben zu lassen, bestand flußaufwärts die Möglichkeit zu treideln. Sofern die Flußumgebung es zuließ, wurden insbesondere gegen die Strömung und bei fehlender Windunterstützung römische Lastschiffe an Leinen, die am Mast oder Treidelbaum besfestigt waren, durch Muskelkraft von Land aus gezogen. Dies geschah meist durch menschliche Arbeitskräfte, da diese weitaus günstiger als Nutztiere waren.  Alternativ konnte der Prahm flußaufwärts gestakt werden. Dazu wird eine Stakstange benutzt, mit der man sich vom Grund des Gewässers in einer Vorwärtsbewegung abstößt. Als dritte Option konnte ein Segel verwendet werden. Zwar gibt es für die Verwendung eines Segels keine ikonographischen Belege, jedoch finden sich auf Reliefs immer wieder Darstellungen eines Mastes – oder zumindest eines Maststummels.

Nachbau

In Bevaix wurde im Lac de Neuchâtel (Schweiz) in den 1960er Jahren ein Prahm entdeckt, der zwischen 18 und 20 Metern lang war. Der Prahm von Bevaix gehört damit zu den kleineren Fahrzeugen dieser Art. Es sind beispielsweise Prahme in Mainz belegt, die bis zu 40 Meter lang und 5 Meter breit waren. Der Prahm von Bevaix wurde nicht vor 182 n.Chr. gebaut, was man anhand Holzproben belegen konnte. 

Rekonstruktionszeichnung von Dr. Ronald Bockius, LEIZA Mainz

Der Nachbau dieses Prahms erfolgte in einem von der EU geförderten Comenius-Projekt durch die Schüler:innen und Lehrer:innen der BBS Wittlich gemeinsam mit einer Schule aus Spanien im Jahr 2003. Hierbei wurde nach den Schiffsplänen von Dr. Ronald Bockius (Museum für Antike Schifffahrt des LEIZA in Mainz) der Prahm aus Bevaix in einem Maßstab 1:2 nachgebaut. Der Prahm hat eine Länge von 10 Metern und 1,7 Meter Breite. Das Schiff selbst wiegt 1,2 Tonnen und verfügt über eine Ladekapazität von über 1,5 Tonnen. Das Original dürfte bis zu 15 Tonnen Zuladung gehabt haben. Das Schiff diente während des Baus als Projektarbeit für die Schüler:innen und war anschließend lange Zeit auf dem Gelände der BBS Wittlich ausgestellt.

Nach der Übergabe des Schiffes an die Universität Trier wurde es auf den Namen „Secundinia“ getauft und unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Christoph Schäfer unter Mitarbeit der Hochschule Trier auf der Mosel erstmals gewässert und verschiedenen Tests zur Leistungsfähigkeit unterzogen.

Der Name „Secundinia“

Treideldarstellung im Relief der Igeler Säule, einem Grabdenkmal der Secundinii. Replik aus dem Rheinischen Landesmuseum Trier

Die Taufe des Prahms auf den Namen „Secundinia“ durch die Universität Trier hängt mit einem bekannten Trierer Grabdenkmal aus der römischen Antike zusammen. Die Igeler Säule ist nur eines von zwei Grabdenkmälern, das nördlich der Alpen noch an seinem originalen Standort steht. Das 23 Meter hohe Pfeilerdenkmal, dem einst auch Goethe einen Besuch abstattete und der bei seiner Beschreibung vor allem die malerische Lage an Mosel und Saar hervorhebt und welches seit 1986 Teil des UNESCO-Welterbes „Römische Baudenkmäler, Dom und Liebfrauenkirche in Trier“ ist, wurde von einer reichen römischen Tuchhändlerfamilie, den Secundinii, um 250 n. Chr. errichtet. Neben den für Grabdenkmälern typischen Szenen aus der griechischen Mythologie (z.B. die Himmelfahrt des Herakles oder die Taufszene des Achilles) sind auch Alltagsszenen aus dem Tuchgeschäft der Familie dargestellt. Hierbei ist für die Schifffahrt besonders die Stufe der Nordseite interessant, denn diese zeigt eine Treidelszene, in der ein mit zwei Ballen beladenes Schiff von zwei Männern an Land gezogen wird. Aufgrund dieser direkten Verbindung zur Schiffahrt in Trier und auf der Mosel, wurde der Prahm nach der Tuchhändlerfamilie benannt, die vor fast 2000 Jahren mit ihren Prahmen gefahren ist, so wie es auch die Forscher:innen der Universität und Hochschule Trier ihnen heute nachmachen.

Der Prahm im Test

Durch den Nachbau des Prahms in Verbindung mit moderner Messtechnik und Testinstrumenten war es der Universität Trier mit ihrer Forschungsstelle, dem TRANSMARE-Institut, in Kooperation mit der Hochschule Trier möglich, den Nachbau zu erproben und neue Erkenntnisse zur Binnenschiffahrt der Römer zu gewinnen. Zunächst wurde das Schiff von Studierenden und Dozierenden der Universität fahrtüchtig gemacht. Hierfür wurde das Schiff kalfatert. Zwischen die hölzernen Schiffsplanken wird hierbei von außen ein fasriges Dichtmaterial in Verbindung mit einem Dichtstoff wie Pech angebracht. Dadurch wird das Schiff abgedichtet – ein Vorgang, der auch an den römischen Wracks nachgewiesen werden kann.

Hauptaugenmerk auf den Tests von Universität und Hochschule lag in der Erfassung der Leistungsdaten des Prahms bei seinen drei möglichen Antriebsarten, dem Treideln, Staken und Segeln.

Beim Treideln ist vor allem die nötige Kraft eines Menschens zur Fortbewegung zu erfassen. Hierfür wurden die Zugkraft im Treidelseil und der sich einstellende Seilwinkel zur Schiffsmittellinie messtechnisch ermittelt und aufgezeichnet, um daraus Rückschlüsse auf die optimale Seillänge und die Anforderungen an Größe und Leistungsfähigkeit der Treidelmannschaft ziehen zu können.

Stakversuche und Messdatenaufnahme auf der Mosel_2[/caption]Auch für das Staken ist die notwendige Kraft zur Fortbewegung in Relation zur erreichten Schiffsgeschwindigkeit ein relevantes Kriterium. Die für das Staken entwickelte Messvorrichtung besteht aus zwei ineinander geführten Aluminiumrohren mit unterschiedlichen Längen. Das äußere Führungsrohr nimmt das innere Stakrohr auf. Intelligente Klemmringe führen das Stakrohr innerhalb des Führungsrohrs reibungsarm und ermöglichen lediglich eine Axialverschiebung beider Rohre. So kann die durch das Staken am unteren Ende des Stakrohrs eingeleitete Stakkrarft ohne Reibungsverluste auf den Druckkraftsensor übertragen werden, der am oberen Ende des Führungsrohrs befestigt ist.

Für die Erprobung der Segeleigenschaften kam ein bewährtes Messsystem zum Einsatz, welches so bereits bei den Tests der Regina, Lusoria Rhenanna und Victoria zum Einsatz kam und das Vorgängersystem zur modernisierten Messsensorik der Bissula bzw. der 1:3-Rekonstruktionen darstellt. Mittels Logge, Windmesser und Kompass konnte ermittelt werden, welche Segeleigenschaften die Secundinia besitzt.

Forschungsergebnisse

Durch die Testung der verschiedenen Antriebsmöglichkeiten eines Prahms konnte gezeigt werden, dass das Treideln eine deutlich kräfteschonendere Alternative war als das Staken. Nachdem beim Anziehen des Schiffes einmal die Massenträgheit überwunden ist, kann man das Fahrzeug recht einfach weiterziehen. Das Staken hingegen benötigt bei gleichen Lasten und vergleichbaren Wetterbedingungen etwa das Dreifache an Kraft. Eine stakende Person muss die Kraft zwischen dem Grund des Flusses und dem Schiff übertragen, daher muss sie aufgrund der Schrägstellung des Staks erheblich mehr Kraft aufwenden. Das Treideln ist also wenn möglich ökonomischer und ist auch viel einfacher zu erlernen als das Staken. Auch das Segeln mit dem 16 qm großem Segel war deutlich effektvoller und manövrierfähiger als zunächst erwartet. Bei einer Windgeschwindigkeit von 4 Beaufort war der Prahm noch gut beherrschbar. Auf Halbwindkurs konnte sogar eine Spitzengeschwindigkeit von 5,7 Konten (ca. 10,6 Kilometer pro Stunde) gemessen werden. Da sich das Rahsegel innerhalb einer halben Minute hissen und bergen lässt, kann man selbst auf kleinen Flüssen Streckenabschnitte segeln und somit die Mannschaft entlasten. Durch ihre vielseitigen Antriebsmöglichkeiten, ihre geringe Wassertiefe und ihre sehr hohe Tragkraft waren Prahme somit für die auf den ersten Blick nicht schiffbaren Wasserstraßen des römischen Reiches ein sehr effektvolles Transportmittel.

Pressespiegel

Segeln wie die Römer

„Einst verteilten die Römer Waren per Lastkahn im Reich. Doch wie leistungsfähig waren die Boote? Ein Ingenieur und ein Althistoriker haben sich mit einem Nachbau auf die Mosel gewagt.“

Link zum Artikel auf Spiegel Online

Rund um die römische Reichsgrenze

„Mit der Aktion „Am Limes grenzenlos“ beging Kipfenberg den Unesco-Welterbetag. Dabei waren nicht nur das Kipfenberger Römer- und Bajuwaren Museum und viele Bürger mit Ständen und Vorführungen vertreten, sondern auch die Universitäten Eichstätt, Augsburg und Trier.“

Link zum Artikel beim Donaukurier

Römisches Schiff ahoi!

„Der Schulleiter der Berufsbildenden Schule Wittlich hat dem Präsidenten der Universität Trier im Jachthafen Monaise einen von Berufsschülern rekonstruierten römischen Frachtkahn übergeben. Der Fachbereich Alte Geschichte wird das Handelsschiff fachübergreifend mit dem Fachbereich Maschinenbau der Hochschule Trier zu Forschungszwecken einsetzen.“

Link zum Artikel beim Trierischen Volksfreund

Römischer Lastkahn auf der Mosel

„Original-Nachbau eines Prahms im Maßstab 1:2/ Kooperation zwischen Berufsschülern und Studenten“

Link zum Artikel bei Wochenspiegel Online